Woher kommt das Gerücht bei den Curly Coated Retrievern, dass man mit schwarzen Hunden in der Zucht die liverfarbenen im Braunton stärkt?
Das „Gerücht“ stammt aus der Zuchtpraxis und älteren Züchtererfahrungen mit Curly Coated Retrievern – ist aber genetisch betrachtet ein Missverständnis.
Hintergrund:
Bei den Curly Coated Retrievern gibt es im Wesentlichen zwei Farbvarianten: schwarz und liver (braun).
Die Fellfarbe wird hauptsächlich durch das B-Lokus (B/b) bestimmt:
– B/ = Schwarz
– b/b = Liver
Die Intensität des Brauntons (heller, rötlicher oder dunkler) hängt allerdings nicht vom Schwarz-Gen ab, sondern von anderen Modifikator-Genen (Polygenen).
Woher kommt das Gerücht?
Früher haben Züchter beobachtet, dass liverfarbene Linien, die „unter sich“ verpaart wurden, oft ein „verwaschenes“ oder sehr helles Braun zeigten.
Wurde dann ein schwarzer Curly eingekreuzt, fiel im nächsten Schritt häufig wieder ein etwas satteres Braun.
Man zog daraus die falsche Schlussfolgerung, dass „Schwarz das Liver stärkt“.
In Wirklichkeit lag es daran, dass mit den schwarzen Hunden schlicht frisches genetisches Material (andere Polygenvarianten) eingebracht wurde – nicht an der Farbe selbst.
Kurz gesagt:
– Schwarz verstärkt Liver nicht.
– Der Effekt kommt von der genetischen Vielfalt der eingekreuzten Linie, nicht von der Fellfarbe.
– Das Gerücht hält sich, weil die Beobachtung real war, die Erklärung aber falsch. (Kausalität ≠ Korrelation)
Quellen
Ich konnte ein paar wissenschaftliche Quellen finden, die Teile der Genetik von Fellfarbe bei Hunden (z. B. Locus B / TYRP1, Modifier, Intensität) gut beschreiben. Ich habe aber keine Studie gefunden, die speziell bei Curly Coated Retrievern dokumentiert, dass schwarze Linien Liver stärker machen – zumindest nicht in den frei verfügbaren Fachartikeln, die ich geprüft habe. Hier sind die relevantesten Arbeiten und Hinweise:
Wissenschaftliche Quellen zu Fellfarbgenetik bei Hunden
B-Lokus / TYRP1 (Schwarz vs. Braun/Liver)
Dog Coat Color and Type – Veterinary Genetics Laboratory, UC Davis
Der B-Lokus (TYRP1) verändert Eumelanin (also die schwarze Pigmentierung) zu Braun („brown / liver“), wenn zwei rezessive Allele b/b vorhanden sind. Schwarze Hunde (mindestens ein dominantes B-Allel) bleiben schwarz. (Veterinary Genetics Laboratory)
Modifier und Intensität von Pigmenten
Pigment Intensity in Dogs is Associated with a Copy Number Variant Upstream of KITLG. (Weich et al., 2021)
Zeigt, dass ein Kopienzahlvarianten („copy number variant“, CNV) oberhalb des KITLG-Gens mit der Intensität der roten Pigmente (Phaeomelanin) in Verbindung steht. Je mehr Kopien, desto intensiver ist die Farbe. Interessanterweise wirkt sich diese Variante auch auf Eumelaninpigmente aus, also theoretisch könnte sie Einfluss auf die „Tiefe“ bzw. Sättigung von Braun haben. (PubMed)
Übersichtsarbeit zu Fellfarbphenotypen / Pigmentierung
Canine coat pigmentation genetics: a review (Brancalion et al., 2022)
In dieser Review werden die bekannten Gene, Varianten und Mechanismen beschrieben: wie unterschiedliche Loci (B, D, E, A, etc.) zusammenwirken, und wie Modifier bzw. nicht vollständig verstandene Variationen die Farbintensität beeinflussen. (Wiley Online Library)
Spezifisch Curly Coated Retriever
Dog Coat Colour Genetics: A Review, R. Saif et al.
Erwähnt eine indel Variante in Curly Coated Retrievern bei KRT71, die Einfluss auf das Fellgefühl/Kräuselung hat. Aber nichts, das klar sagt, dass schwarze Curly-Linien Liver-Tone „stärken“. (als-journal.com)
Bewertung: Gibt es Belege für das Gerücht?
Aus den Quellen ergibt sich:
– Der B-Lokus bestimmt Schwarz vs. Braun/Liver klar. Das ist etabliert. Schwarze Hunde tragen dominantes B oder sind heterozygot, livers sind homozygot b/b. (Veterinary Genetics Laboratory)
– Farbintensität (wie „kräftig“ oder „satt“ eine Farbe wirkt) wird beeinflusst von Modifiergenen, CNVs, möglicherweise weiteren Genen, die Pigment produzierende Prozesse beeinflussen (z. B. Transporte, Enzymaktivität). Hier gibt es Belege, z. B. von Weich et al. für KITLG. (PubMed)
Ich konnte keine Studie finden, die genau das beobachtet oder nachweist, dass das Einkreuzen von schwarzen Curly-Coated Retrievern systematisch die Liverfarbe bei Nachkommen verbessert (z. B. durch stärkeren Braun-Ton), über das, was durch Variation der Modifier möglich ist.